Jonas Kessler – Ein Leben mit der Modellfliegerei
Gebastelt habe ich schon immer gerne, und so schenkten mir meine Eltern zum 11. Geburtstag das legendäre „Werkbuch für Jungen”. In den folgenden Jahren habe ich so ziemlich alles nachgebaut, was dort an Bauvorschlägen angeboten wurde: Ein Radio, ein Kaugummiautomat, ein Tellurium, ein Modell-Frachtschiff und vieles mehr. Und eben auch ein Fesselflugzeug und einen Freiflieger, beide mit Cox-Motor. Und dann merkte ich bald, dass auch andere Jungs Modellflugzeuge bauen und hatte schnell Gleichgesinnte gefunden. Die hatten schon eine Fernsteuerung – und so etwas musste ich natürlich auch haben. Es wurde eine gebrauchte Graupner-Miniprop mit immerhin 2 Servos und einem Hauch von Reichweite.
Nach einigen Modellschiffen und (natürlich selbstgebauten) RC-Cars begann der ferngesteuerte Modellflug mit einem Segler „Primo” nach Bauplan, dann versuchte ich mich gleich an einem Nachbau des Lastenseglers DFS-230 von Klaus Nietzer. Das Bauen hat gut geklappt, das Fliegen weniger. Erst mit einem gebrauchten, sprichwörtlich unverwüstlichen Carrera Favorit und meiner neuen und absolut zuverlässigen Microprop-Anlage habe ich das Steuern wirklich gelernt.
Es folgten selbstgestrickte Nurflügelmodelle, teils mit Motorantrieb, Versuche mit Epoxy-Laminaten in Positiv- und Negativbauweise, Sandwichbauteile mit Styroporkern und allerlei Eigenkonstruktionen, oft auf Basis irgendwelcher Absturz-Überreste von Vereinskollegen. Mitte der 80er Jahre entdeckte ich den Elektroantrieb für mich, nachdem ich aufmerksam darüber in „FMT” und „Modell” gelesen hatte. Ein wunderschöner Aeronaut Elektrosegler Aerofly (mein erster gekaufter Baukasten) und ein gebrauchter robbe Geier stellten meinen persönlichen Durchbruch in der Modellfliegerkarriere dar. Beide haben mich gelehrt, nicht nur dem Elektroflug fortan treu zu sein, sondern auch Modelle und Material stets zu optimieren. Damals musste man sich vernünftige Regler und Ladegeräte noch selber löten – und so wurde aus dem Hobby ein Studium der Elektrotechnik an der TU München.
Es folgten 10 Jahre als Software-Entwickler, dann hatte ich vom abstrakten Denken genug und wechselte zur Architektur. Da inzwischen meine eigenen Modelle so auffällig besser flogen, als alles, was die Industrie zu bieten hatte, und ich jetzt auch gewohnt war, Pläne zu zeichnen, entstanden meine ersten Baupläne, die alle in der FMT veröffentlich wurden: Ein kleiner Nurflügel NFS-400, eine elektrische Mustang, der erste Elektrosegler ETA. Aus der Modellbauerei war inzwischen ein berufliches Standbein als Architekturmodellbauer gewachsen, es folgten Lehraufträge an der Technischen Hochschule Rosenheim für Architekturmodellbau, Lichtgestaltung, Haustechnik und Baukonstruktion.
Aus der Redaktion der FMT kam zur Jahrtausendwende die Anregung, ich solle doch einen Jedermann-Elektrosegler zeichnen, der mit einem einfachen Speed-600 und den damals üblichen 7 oder 8 Zellen sowie Standardservos zu betreiben wäre. Damit war der EON-600 geboren, der bald auf allen Modellflugplätzen zu finden war und auch heute noch eifrig geflogen wird. Die Stückzahlen der gedruckten Baupläne und der damals neuartigen Frästeilesätze erreichten völlig ungeahnte Größenordnungen. Viele weitere Baupläne folgten – und in der Schublade warten noch mehr Ideen und Projekte, als ich im Leben je fertigstellen kann.
Lebensmittelpunkte, Orte, Freunde und Partner, ja sogar Hobbys und Berufe wechseln gelegentlich im Leben. Modellflug und Modellbau aber sind meine persönlichen Konstanten. Und so wird es wohl bleiben.