Holm-Verkastung und Holm-Stege
Weil es immer gerne diskutiert wird, hier ein paar Anmerkungen zu diesen umstrittenen Bauteilen:
Ein Holm ohne Verkastung bzw. Holmsteg ist weitgehend wertlos. Der Holm soll die Biegekräfte aus der Schwerkraft und der Dynamik aufnehmen. Dazu muss sie obere Leiste auf Druck und die untere Leiste auf Zug belastet werden. Man braucht also schon mal zwei Holmleisten. Je weiter die auseinander liegen, desto mehr Biegekräfte werden in die Leisten eingeleitet. Deshalb liegen meine Holmleisten in der Beplankungsebene und nicht darunter. Also ganz außen. Die Bauweise hat in den 80er Jahren Helmut Meyer für Elektrosegler vorgeschlagen und er hat bis heute Recht damit. Wenn man aber nun eine Tragfläche biegt, dann will die obere Leiste ausknicken, denn das tun alle druckbelasteten Stäbe irgendwann. Damit das nicht passiert, ist der Holmsteg da. Und die Holmleisten wollen sich beim Biegen gegeneinader verschieben. Damit das nicht passiert, ist auch der Holmsteg da. Nur durch die Verbindung der beiden Leisten wird aus 2 dünnen Kiefernleiste ein hoher stabiler doppel-T-Träger oder H-Träger oder I-Träger, wie man ihn aus jeder Statik-Vorlesung kennt.
Die Kräfte in dem Holmsteg sind also senkrechte Zugkräfte und waagrechte Scherkräfte. In der Summe also etwas diagonal verlaufendes. Deshalb müsste man als Holmsteg mehrlagiges Holz verwenden, welches kreuzweise diagonal verläuft. Sperrholz ist also schon mal nicht falsch. Da in der Praxis keiner das Holz selbst diagonal passend verleimen und zuschneiden will, nimmt man als Kompromiss normales 90° Sperrholz und verbaut es unter 90°. Ob nun die Deckfasern senkrecht oder waagrecht verlaufen, ist nicht so wichtig, da die Innenlage ja genau andersherum verläuft. (***Anmerkung weiter unten)
Wer kein Sperrholz, sondern Balsa nimmt, nimmt als besten Kompromiss die Fasern senkrecht, weil durch die Elastizität des Holzes die Zugkräfte höher sind, als die Scherkräfte UND das Balsa die Scherkräfte besser quer zur Faser aushalten kann. Dass weiß man, wenn man im Leben genügend abgestürzte Tragflächenreste auf ihr Bruchbild hin analysiert hat: Liegende Balsaverkastung zersplittert, stehende nicht.
Quartergrain ist kein geeignetes Holz zur Verkastung. Eine Verkastung muss Zug- und Scherkräfte aufnehmen, dazu braucht es lange Fasern. Quartergrain fühlt sich zwar steif an (die Steifheit ist auch der Vorteil daran für manche Bauteile wie Ruderblätter), hat aber wenig innere Festigkeit und bricht spröde.
Die absolut minimale Holmverbindung wären kreuzweise diagonal aussteifende Zugseile zwischen den Holmleisten.
So, und jetzt kommen wir zum Thema Verkastung vs. Holmsteg. Mit „Verkastung“ meinen die allermeisten Modellbauer, dass sie diese Holmverbinder seitlich auf die Holmleisten kleben. Der Holm hat also am Ende ein C-Profil. Schon mal nicht schlecht, aber statisch ungünstiger, als ein I-Profil, weil die Zugkräfte aus der „Verkastung“ nicht mittig in die Holmleisten treffen. Keine direkte Krafteinleitung also. Eine „Verkastung“ ist das noch nicht, den ein Kasten ist rundum geschlossen, und das wird er erst, wenn beidseitig so ein Holzplättchen aufgeklebt wird. So eine echte Holmverkastung kann dann sogar ein bisschen Torsionskräfte aufnehmen und die Flatterneigung des Flügels reduzieren. Es macht also Sinn, „doppelt“ zu verkasten, auch weil die Krafteinleitung wieder symmetrisch wird.
Mit Holmsteg meine ich einen mittig auf den Holmleisten stehenden Steg, so dass der Holm also zu einem I-Träger wird. Statisch optimal und weniger Materialaufwand als eine Verkastung, auch weil die Stege ja nun um 2x Holmleistenstärke niedriger sind. Dazu kommt, dass der Leim bei so einem Holmsteg in der ganzen Querschnittsfläche des Steges eine Verbindung mit den Leisten schafft. Bei nur außen angeleimten Verkastungen ist ja nur die Deckschicht des Holzes an die Leisten geleimt – keine gute Krafteinleitung in den Steg. ***Deshalb sollte bei *außen* angeleimten Sperrholz die Deckschicht senkrecht verlaufen, weil diese hier die Hauptlast übernehmen muss. Beim zentralen Holmsteg ist die Richtung des Sperrholzes eher egal, weil die Mittenlage besser mitträgt. Gleiches gilt für die Holmverbinder über den V-Knick.
Der Nachteil einer geringeren Torsionsfestigkeit des I-Trägers gegenüber dem Kasten ist nur bei Tragflächen bedeutend, die weder eine geschlossene Torsionsnase (D-Box) durch ober- und unterseitige Beplankung haben, noch eine beidseitige Bespannung. Also bei Jedelsky Bauweise und anderen Sonder-Konstruktionen, die dann aber gleich den Holm oft ganz weglassen.
Ein inzwischen verstorbener Kollege auf dem Flugplatz, der immerhin manntragende Flugzeuge reparieren dufte, meinte zeitlebens, eine Tragfläche würde stabiler, wenn man jedes zweite Rippenfeld nicht verkastet / verstegt, weil die Fläche sich dann biegen kann und nicht bricht. Dazu fällt mir nichts mehr ein, weil dann ja jeder verbleibende Holmsteg die doppelten Kräfte aufnehmen muss und an jeder Rippe Lastspitzen im Holm durch ungleichmäßige Biegung entstehen.
Deshalb also baue ich die Holme so, wie ich sie baue: Als I-Träger auf ganze Profilhöhe, bis außen durchlaufend, Materialstärken nach außen hin gerne abnehmend, an der Wurzel gerne ein Holmsteg aus Sperrholz.
Jonas Kessler, im Februar 2017
PS. Es gibt Konstruktionen, die werden durchs Verstärken nicht mehr besser, sondern nur schwerer. Es gibt vielleicht andere, die können die ein oder andere sinnvolle Verstärkung schon noch brauchen. Aber man sollte wissen, was man tut, denn ein zusätzliches Stück Material kann sogar die Festigkeit schwächen, wenn dadurch Spannungsspitzen entstehen, Stichwort: „Kerbwirkung“. Ich weiß, das klingt erst mal paradox. Eine Erfahrung, die in der Anfangszeit der Kohlefaser bitter gemacht werden musste: Ein Paar zusätzliche schicke Kohlerowings auf einen GFK-Rumpf auflaminiert, und schon ist er bei der Landung explosionsartig geplatzt, obwohl es ohne die Kohle vorher jahrelang gut gegangen ist.
Warum das? Glas ist elastisch, Kohle dagegen steif und weniger dehnbar. Will sich der elastische GFK-Rumpf biegen, nehmen die knallharten Kohlefasern nun alle Kräfte alleine auf, bis es sie überlastet und schlagartig zerreißt. Dieser heftige innerliche Schlag wiederum zerschlägt die Glasfasern gleich mit, die für sich alleine die selbe Biegebelastung locker durch ihre Elastizität weggesteckt hätten.